Viele fragen sich, warum sich in der Gehörlosenwelt eine bundesweite Organisation etabliert, wo doch schon viele Dachverbände in Deutschland die Interessen der Gehörlosengemeinschaft vertreten. Unterschiedliche Arbeitsfelder, Erfahrungen und
Aktionen in vielen Stadtverbänden zeigen deutlich, dass sich verschiedene Richtungen entwickelt haben.
Koordinierung und informeller Austausch der gehörlosen Führungskräfte bleiben auf der Strecke.
Erst in den 90er Jahren wuchs die Erkenntnis, dass die Akzeptanz und Selbstbestimmung behinderter Menschen notwendig ist, um Verantwortung zu übernehmen.
Bereits 1989 fand ein Arbeitstreffen der oben stehenden Verbände bzw. Vereine mit dem Wunsch statt, eine Bundesarbeitsgemeinschaft zu gründen. Leider konnte der Wunsch nicht realisiert werden.
Gerade in schlechteren Zeiten wird das wirtschaftliche Überleben für viele mi kleineren und mittleren Einrichtungen immer schwieriger. Soziale Einrichtungen müssen sich zu modernen Dienstleistungsorganisationen entwickeln, um die Bedürfnisse ihrer Kunden und Klienten flexibel und effizient befriedigen zu können. Von 1999 bis 2002 wurde der Grundgedanke wieder aufgegriffen und neu diskutiert,
wobei das Interesse und die Notwendigkeit wieder hochaktuell wurden
AUFGABEN UND ZIELE
Am 6. Juni 2003 wurde schließlich das bundesweite Netzwerk der Gehörlosen-Stadtverbände (NETGEST) in Bad Arolsen gegründet, hat sich eine Satzung gegeben und wurde am 22. März 2004 ins Vereinsregister aufgenommen.
Die Bezeichnung des Dachverbandes lautet: Netzwerk der Gehörlosen-Stadtverbände.
Es muss hinzugefügt werden, dass in einer Zeit, in der die Steigerung des Lebensstandards, die hohe Mobilität und die europaweite Kommunikation durch
visuelle Medien zu einer Ausweitung der Kontakte geführt hat, dass in dieser offener gewordenen Welt Partnerschaft ständig erneuert werden muss. Die Verunsicherung bei den Vereins- und Verbandsvorständen ist groß.
Viele Fragen bezüglich Vereinsrecht und Haftungsrecht sind noch offen. Nachfolge-Sorgen machen sich breit. Der Schwung und das Engagement in den Stadtverbänden haben sich verlangsamt, auf Dauer tritt eine Entmutigung ein. Erkennbar sind vor allem die Unbeweglichkeit und der Nachwuchsmangel in traditionsreichen Stadtverbänden, vor vollem in Nordrhein-Westfalen.
Viele von Ihnen haben ähnliche Probleme, wie z.B. im Bereich des Kosten-, Personal- und Zeitmanagements oder bezüglich der Rahmenbedingungen im Verbandsrecht.
In Seminaren und Fachtagungen könnten viele Stadtverbände und Einrichtungen dazu beitragen, Kräfte und Potentiale in ihrem Unternehmen (Verband, Arge) zu bündeln und gemeinsam mit anderen Partnern neue Dienstleistungen und Geschäftsbereiche zu erschließen. Ihre eigenen Ressourcen können die Situationen auf dem Sozialmarkt verbessern.
Wichtig bei unserem Netzwerk sind die vorherige Klärung der Definitionen des eigenen Ziels und eines zeitlichen Rahmens. Der Aufbau eines funktionierenden Netzwerkes braucht immer Zeit und eine klar orientierte Zielsetzung.
Um meine Arbeit als Vorsitzender weiterhin transparent zu gestalten und neue Impulse zu geben, sollen die Fachtagung und der Gehörlosen-Städtetag Einblicke und Anstöße zum Nach- und Umdenken sowie für einen möglichen Paradigmenwechsel geben.
Das SEMINAR, das in Monaten Zwischen August und September stattfindet, dient vor allem die Aneignung und Vertiefung des Basiswissens und der durch Fortbildung erweiterten Perspektiven für die Etabilierung der Basisarbeit in Gehörlosenverbänden.
Machen wir uns daran! BILDUNG ist „IN".
Eine Plattform für informelle Kontakte wurde auf verschiedenen Ebenen auf drei Säulen aufgebaut.
Als vierte Säule ist der Aufbau von Telekommunikationsdiensten und eines Projektbüros für informelle Kontakte angedacht.
Unserer Erinnerung nach war es auf einem Kommunikationsforum (KoFo) im alten Gehörlosenzentrum Leipzig in der Huygensstraße im Jahr 1998, als der Geschäftsführer des Gehörlosenverbandes München und Umland, Rudi Sailer, erstmals über das Vorhaben berichtete, ein neues Gehörlosenzentrum in der Münchner Lohengrinstraße zu errichten.
Die damit verbundene notwendige Modernisierung zielte darauf ab, die Bedingungen für das Kulturleben der Gehörlosen in München wesentlich zu verbessern. Dieses Münchner Projekt motivierte den Leipziger Gehörlosen-Vorstand mit Volkmar Jaeger an der Spitze ein ähnliches Projekt auf die Agenda zu setzen. Die Idee, ein neues Kulturzentrum an anderer, vor allem verkehrsgünstiger Stelle zu schauen, war geboren.
Parallel zum Ausbau des neuen Münchner Gehörlosenzentrum entwickelte Rudi Sailer die Idee, ein Netzwerk der Gehörlosen-Stadtverbände zu schauen. Er rief ─ vom Leipziger KoFo aus ─ alle Gehörlosen-Stadtverbände auf, am Vorbereitungskomitee teilzunehmen. Im Mai 2003 war es so- weit. In Bad Arolsen fand die Gründungsversammlung des Netzwerks statt. Die Gründungsmitglieder waren die Gehörlosen-Stadtverbände Berlin, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Nürnberg. Damit begaben sie sich auf den Weg, um den gegenseitigen Informationsaustausch zu optimieren und Impulse für die bessere Aus-und Weiterbildung der tauben Führungskräfte zu setzen. Vor allem der Ost- und West-Ausgleichstand auf der Agenda. Auch sollte ein Beitrag zur Stärkung des Deutschen Gehörlosen-Bundes und der Gehörlosen-Landesverbände geleistet werden.
Weitere anspruchsvolle Ziele waren: die Durchsetzung der UN-Konvention und der Chancengleichheit für alle, die Förderung des Bürokratie-Abbaus zugunsten unseres Selbsthilfeposten als, die Kooperation mit dem Deutschen Gehörlosen-Bund bzw. mit den Gehörlosen-Landesverbänden und die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schwerhörigen-Verband. Die Vorarbeit hat sich gelohnt, denn es kamen auch noch die Gehörlosen-Stadtverbände Bremen, Chemnitz, Dresden, Düsseldorf und Frankfurt am Main dazu.
Die Thematik der Netzwerk-Arbeit ist breit gefächert. Die krische Interpretation in der ideologischen Auseinandersetzung mit Vorträgen über die Entwicklung unseres Gesellschaftslebens erweitert die Kompetenz der Mitarbeiter. Wir können nur auf Augenhöhe mit Hörenden stehen, wenn wir das Selbstbewusstsein durch erweitertes Wissen und durch wachsende Eigenständigkeit zeigen.
Zu Beginn hatte das Netzwerk eher Hörende als Referenten eingeladen. Wir mussten von ihnen lernen, um unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und effektiv zu arbeiten. Jetzt referieren vorwiegend Gehörlose bzw. andere Hörbehinderte. Auch damit hat das Netzwerk bewiesen, dass es seinen Gründungszweck erfolgreich umsetzt: die Kompetenz und das Selbstbewusstsein der Gehörlosen zu stärken bzw. entwickeln. Immer mehr gehörlose Referenten sind heute in der Lage, auf Bildungs- und anderen Veranstaltungen in der Deaf Community und in der Welt der Hörenden auf- zutreten und eigene Ideen zu präsentieren bzw. für die Visionen der Gehörlosen zu wirken. Wir verfolgen, wie schon gesagt, unterschiedliche Meinungen, aber dadurch entsteht ein breites Spektrum von Auffassungen, die zugunsten der Gehörlosen-Bewegung bewusst ausgewählt werden können. Wir bewegen uns schon auf dem richtigen Pfad, weil wir gelernt haben, den Kampf um Verbesserung unseres Kultur- und Arbeitslebens zu meistern, indem wir im Gedankenaustausch die guten Ideen in die Tat umsetzen. Die in der Arbeit des Netzwerks der Gehörlosen-Stadtverbände herangereiften gehörlosen Referenten wirken heute zu einem großen Teil als Multiplikatoren der besten Ideen und Konzepte zur Verbesserung der Arbeit in den Stadt- und Landesverbänden der Gehörlosen sowie im Deutschen Gehörlosen-Bund.
Wir gratulieren dem Netzwerk der Gehörlosen-Stadtverbände mit Rudi Sailer an der Spitze zu seiner zehnjährigen engagierten wie erfolgreichen Arbeit und wünsche allen Mitgliedern und Mitarbeitern des Netzwerks eine weitere fruchtbare Arbeit zum Nutzen aller Hörbehinderten!
Volkmar Jaeger und Dr. Hans-Uwe Feige (beide Gründungsmitglieder)